Visualisierung meint das gezielte Erzeugen von inneren Bildern mit Hilfe unserer Gedanken. Dieser Vorgang lässt sich zu verschiedenen Zwecken nutzen: z.B. um Stress zu reduzieren, Schmerzen zu lindern oder auch Leistungen im Sport zu steigern.
Wissenschaftler haben sich dieser Technik bereits gewidmet und es gibt Studien, die die Wirksamkeit von Visualisierungen bestätigen und ihre Vorteile für die mentale und physische Gesundheit nachweisen können.
In diesem Artikel soll es um die Verbindung von Visualisierungen und Gefühlen gehen und wie wir diese Technik bei mieser Stimmung nutzen können.
Gefühle beachten
Visualisierungen lassen sich gezielt nutzen, um unsere Stimmung zu stabilisieren. Aber Achtung: Es geht nicht darum, schlechte Gefühle weg zu visualisieren!
Wir kennen es alle. Plötzlich ist sie da, die schlechte Laune. Oder wir wachen schon morgens mit einem trübseligen Gefühl auf. Vielleicht gab es einen Anlass, aber oft genug überkommt uns auch eine gedrückte Stimmung und wir wissen gar nicht so genau warum.
Wenn du für deine schlechte Stimmung keinen direkten Anlass erkennen kannst, dann versuche doch einmal folgendes Vorgehen.
Akzeptieren, was ist
Ein Gefühl ist da, um gefühlt zu werden. So einfach ist der Sinn von Gefühlen zu erklären. Trotzdem fühlen wir uns nicht mit jedem Gefühl gleich wohl. Wir urteilen in positive und negative Gefühle und mit den negativen wollen wir lieber nichts zu tun haben.
Doch auch bei „negativen“ Gefühlen gilt, sie wollen gefühlt werden. Daher versuche im ersten Moment erst einmal einfach wahrzunehmen und zu akzeptieren, was da gerade in dir in Bewegung geraten ist.
Du kannst dieses Wahrnehmen unterstützen, indem du z.B. deine Hände dorthin legst, wo du das Gefühl in deinem Körper besonders ausgeprägt wahrnehmen kannst und ruhig und tief in den Bauch atmen.
Mit Gefühlen sprechen
Du kannst mit dem Gefühl innerlich „sprechen“, es willkommen heißen und die Einladung aussprechen, dass es sich ganz zeigen und ausdrücken darf.
Zudem kannst du den Gedanken formen: „Das ist ja interessant, dass ich das fühle.“ So schaffst du einen Abstand zwischen dir und dem Gefühl, löst die Identifikation mit dem Zustand und gehst darin nicht verloren. Das kann besonders bei starken Gefühlen hilfreich sein.
Über eine bewusste langsame Atmung kannst du die Intensität eines Gefühls ein bisschen abmildern und dich im Atem verankern. Starke Gefühle können ansonsten überwältigend sein.
Das Gefühl durch den Körper leiten
Und nun kannst du schon mit der ersten Visualisierung starten. Stelle dir vor, wie dieses Gefühl von der Stelle, wo du es wahrnimmst, sich einmal durch deinen ganzen Körper ausbreitet. Lass es durch jede Zelle deines Körpers fließen und dann durch deine Arme und Beine aus dem Körper wieder herausströmen.
Damit unterstützt du die Bewegung des Gefühls, mit der es sich ausdrückt und es kann seinen Bewegungszyklus durchlaufen. So verhinderst du, dass es sich unvollendeter Dinge in dir festsetzt, weil es von dir unterdrückt wurde.
Die Freude einladen
Du hast das Gefühl nun bewusst wahrgenommen, ihm Raum gegeben und nun kannst du deinen Fokus wieder woanders hinlenken. Zum Beispiel auf etwas, das dir Freude bereitet.
Auch hierfür kannst du eine gezielte Visualisierung nutzen. Stelle dir etwas vor, von dem du weißt, dass es dir guttut: streichle in Gedanken das weiche Fell einer Katze oder lasse dich von einem lieben Menschen in den Arm nehmen, stelle dir vor wie du barfuß im Sonnenschein über eine grüne Wiese tanzt, wie du entspannt in einer Hängematte am Strand liegst… Deiner Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Und dann spüre, wie das Bild in dir das Gefühl von Freude, Zufriedenheit oder Entspannung aufsteigen lässt und lasse auch dieses Gefühl ganz durch deinen Körper fluten.
Und, wie fühlst du dich jetzt?
Falls es nicht sofort geklappt haben sollte, wie so oft gilt auch hier: Übung macht den Meister oder die Meisterin. Versuche es einfach noch mal. Visualisierungen gelingen umso besser, je öfter wir sie anwenden.
Phantasie oder Realität?
Visualisierungen aktivieren ähnliche neuronale Netzwerke im Gehirn wir reale Erfahrungen. Unser Körper reagiert auf künstlich erzeugte Bilder im Gehirn ebenso stark wie auf Bilder, die das Gehirn aus tatsächlichen Situationen abbildet.
Das lässt sich vergleichen mit dem Anschauen eines Films. Auch hier reagiert unser Körper auf einen spannenden Film mit Herzklopfen oder wir müssen über lustige Szenen lachen, obwohl sie sich nicht real vor uns abspielen.
Das Wechselspiel von Gedanken und Gefühlen
Gefühle sind eine Reaktion auf unsere Gedanken. Doch nicht alle unsere Gedanken nehmen wir bewusst wahr. Wenn wir uns schlecht fühlen, steckt in der Regel auch ein negativer Gedanke dahinter. Vielleicht gelingt es uns, ihn zu identifizieren. Manchmal sind es aber nur unbewusste Gedanken. Vielleicht eine alte Erinnerung. Oder auch nur eine schlechte Gedankengewohnheit. Ein negativer Glaubenssatz über uns selbst.
Wir können daher von einem Gefühl Rückschlüsse ziehen über das, was gerade in unserem Kopf los ist. Eine Analyse unserer Gedanken muss aber nicht immer sein. Vielleicht erkennen wir direkt, was sich im Kopf abspielt. Und wenn nicht, können wir die oben beschriebenen Schritte durchführen und uns so innerlich wieder stabilisieren.
Visualisierungen sind kein Allheilmittel
Wie ich weiter oben schon erwähnt habe, geht es nicht darum, mit Visualisierungen etwas zu unterdrücken oder wegzumachen. Und sie sind auch kein Allheilmittel. Es gibt emotionale Zustände im Leben, die gehen über normale Missstimmungen im Alltag hinaus.
In diesem Fall ist es gut, wenn du dir professionelle, psychotherapeutische Unterstützung holst. Denn diese professionellen Begleitungen können durch Visualisierungen nicht ersetzt werden. Falls du dich bereits in einer psychotherapeutischen Behandlung befindest, kläre am besten auch mit deiner Therapeutin ab, ob Visualisierungen zum aktuellen Zeitpunkt für dich ein geeignetes Mittel sind.
Regelmäßig angewandt, können Visualisierungen aber neue neuronale Verbindungen im Gehirn schaffen und damit die Neuroplastizität unseres Gehirns unterstützen. Am effektivsten gelingt das, wenn das mentale Training mit echten physischen Erfahrungen gekoppelt wird.
Ich wünsche dir gute Erfahrungen mit Visualisierungen. Berichte gerne in den Kommentaren, ob es dir etwas gebracht hat.
Schritt-für-Schritt-Anleitung
Hier noch mal zur Übersicht eine Kurzanleitung der einzelnen Schritte:
Mit Visualisierungen Gefühle steuern
Schritt 1:
Das aufgekommene „negative“ Gefühl bewusst im Körper wahrnehmen. Ggf. die Hände auf die Stelle legen, wo das Gefühl am stärksten zu spüren ist. Ruhig und tief atmen.
Schritt 2:
Das Gefühl in Gedanken willkommen heißen oder denken „Das ist ja interessant, dass ich so empfinde“.
Schritt 3:
Visualisieren, wie sich das Gefühl einmal im ganzen Körper bis in jede Zelle ausbreitet und dann durch Arme und Beine abfließt.
Schritt 4:
Die Gedanken zu einem schönen Ereignis/Situation lenken und sie sich bewusst und detailliert vorstellen. Das dadurch erzeugte schöne Gefühl ebenfalls einmal im ganzen Körper ausbreiten lassen.
Schritt 5:
Zur Tagesordnung übergehen und weitermachen.